Der Zeitungsartikel, der nie erschienen ist.

Am 15. März. 2022 wurde ich von Jonas Wagner interviewt zur Ausstellung „Haltung zeigen“, die in Hanau stattgefunden hatte.

Leider wurde dieser Artikel nie abgedruckt, was aber nicht weiter schlimm ist in meinen Augen. Wirklich leid tat mir das für Jonas, weil er sich meiner Ansicht nach viel Mühe gegeben hat, mich durch mein erstes richtiges Interview zu führen.

Jonas, an der Stelle möchte ich Dir noch mal danken für das Interview.


„Ich möchte die Emotionen der Menschen einfangen“

Percy Walther ist als Protestfotograf im Rhein-Main-Gebiet unterwegs. Gemeinsam mit einem Kollegen zeigt er seine Bilder aktuell in der Ausstellung „Haltung zeigen. Fotografien“ in Hanau. Ein Gespräch über Demoschilder, das Dokumentieren des Zeitgeschehens und die Effekte von Schwarz-Weiß-Fotografie.

Von Jonas Wagner

Herr Walther, Sie fotografieren vor allem Proteste. Was reizt Sie daran?

Das Festhalten. Eine Demo ist ja immer nur ein zeitlich begrenzter Ort und Zustand. Den möchte ich transportieren, zum Beispiel ins Internet, damit die Leute das sehen. Gerade wenn es darum geht, gegen Nazis Gesicht zu zeigen, bin ich dabei. Und ich will auch Reichweite für diese Proteste generieren. Denn ich habe viele kleine Demos erlebt, wo kein Pressefotograf war, deshalb gebe ich meine Bilder auch immer den Veranstaltern frei.

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Was macht für Sie ein gutes Foto aus? Wann drücken Sie auf den Auslöser?

Wenn eine Emotion da ist. Da muss kein Gesicht dabei sein, kein Mensch. Es reichen manchmal schon Hände, die ein Schild halten, um ein Gefühl zu transportieren. Gelegentlich bin ich auch mitten in der Masse, wie bei der Großdemonstration von Black Lives Matter 2020 auf dem Frankfurter Römerberg. Um das Gefühl zu vermitteln, hier stehen wirklich viele Leute, Schulter an Schulter. Das ist dann der Moment, wo ich sage: „Da will ich abdrücken.“

20200606 – Silent-Demo: Nein zu Rassismus

Aktuell stellen sie gemeinsam mit einem Kollegen, der unter dem Pseudonym Protestfotografie.Frankfurt auftritt, einige Bilder aus. Ein häufiges Motiv sind dabei Plakate. Was bedeuten Schilder für Sie und Ihre Fotografie?

Plakate sind schnell gemacht und transportieren immer eine Nachricht. Darüber möchte ich auch diese Emotionen der Menschen einfangen. Außerdem bin ich ein großer Freund von Datenschutz, gerade auf Demonstrationen. Ich bin sehr zurückhaltend, wenn es um Privatpersonen geht, die am nächsten Tag ja auch wieder zu ihrem Job müssen. Da sage ich dann: Ich möchte lieber das Plakat auf meinem Bild haben. Es vermittelt dem Zusehenden auch eine Nähe, ohne dass ich ein Gesicht zeigen muss.

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Auffällig ist, dass viele der ausgestellten Bilder in schwarz-weiß gedruckt sind. Warum?

Wir haben die Bilder in schwarz-weiß gehalten, weil wir dort eine Reduktion haben wollten, um so einen Kontrast zu den Hanau-Bildern (vom Gedenken an den Terroranschlag vom 19. Februar 2020, Anm. d. Red.) zu schaffen. Die sind in Farbe gedruckt, weil das eine andere Nähe mit sich bringt. Es ist wesentlich greifbarer und hat nicht diesen Effekt der Distanz. Denn dokumentarische Schwarz-Weiß-Bilder haben auch immer einen leichten Vintage-Effekt. Ich liebe die Reduzierung auf das Wesentliche, es gibt keine Farben, die ablenken.

Sie fotografieren aber nicht ausschließlich in schwarz-weiß.

Nein. Ich habe sehr lange sehr viel in schwarz-weiß gemacht, was Proteste betrifft, weil ich eben diese Reduzierung mag. Doch vor zwei oder drei Wochen habe ich eine Bilderreihe zu den Protesten gegen den Krieg in der Ukraine in Frankfurt gemacht. Da habe ich dann in Farbe gearbeitet, denn die ukrainische Flagge kommt in schwarz-weiß nicht gut. Ich sehe es als praktischen Nutzen: Wenn ich Schilder habe, auf denen „Söder ist ein Idiot“ steht, braucht das keine Farbe. Aber wenn es jetzt um eine Flagge geht, wenn es darum geht, zu zeigen, wie viele Menschen sich bunt oder gelb-blau kleiden, dann würde das in schwarz-weiß nicht das transportieren, was es muss. Ich bin da also eher Pragmatiker.

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Das ist einleuchtend. Trotzdem wäre ich nicht darauf gekommen, hätten Sie es nicht gesagt.

Ich mache, was funktioniert, um die Message transportieren. Das, was ich sehen und zeigen möchte. Bilder im Internet zu posten heißt auch immer, Geschichten zu erzählen. Und dann stellt sich natürlich auch die Frage: Wo möchte man die Menschen hinbringen? Wie kann man sie zum Nachdenken bewegen? Deswegen wechsle ich auch immer wieder zwischen Farbe und schwarz-weiß.

Welche Kriterien waren entscheidend für die Auswahl der Bilder, die Sie in der Ausstellung zeigen?

Ich habe die Bilder rausgesucht, die für mich emotional am stärksten waren. Und deren Veröffentlichung für mich fein ist. Denn es ist nochmal etwas Anderes, ob man Bilder im Internet veröffentlicht oder druckt. In einer Ausstellung hast du immer eine direkte Kommunikation mit Personen, die diese betrachten. Und da muss ich sagen: Ich muss zu jedem Bild stehen. Mit diesem Blick bin ich meinen Fundus durchgegangen und habe ungefähr 80 Bilder rausgesucht. Der Kollege hatte auch seine Bilder mitgebracht und dann haben wir einfach geschaut: In welche Richtung gehen wir? Das hatten wir dann relativ schnell zusammen. Wir haben versucht, durch die Zusammenstellung auch eine Geschichte zu erzählen.

20200606 – Silent-Demo: Nein zu Rassismus

Warum haben Sie sich für die Themen Polizei bei Protesten, Black Lives Matter und Gedenken an den Terroranschlag in Hanau entschieden?

Also Hanau war klar, weil wir zu den Internationalen Wochen gegen Rassismus ausgestellt haben. Ich selbst habe keine Bilder dazu, deswegen hängen da auch nur Fotos meines Kollegen. Bei Black Lives Matter hatten wir einfach die meisten Überschneidungen an Bildern und haben geguckt, welche zusammen harmonieren. Und dann haben wir uns noch gedacht: „Komm, lass uns was mit der Polizei machen“ – weil es auch ein aktuelles Thema ist.

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Besucher können zwei Bilder der Ausstellung in einer stillen Auktion erwerben, der Erlös geht an die Initiative 19. Februar. Zudem sind die Ausstellungsabschnitte mit kurzen Infotexten zur Einordnung versehen. Insgesamt wirkt die Exposition selbst wie ein Ausdruck politischen Handelns. Sehen Sie sich denn als Journalist, als Aktivist oder als Künstler?

Ich sehe mich überhaupt nicht als Künstler. Eher als Menschen, der das Zeitgeschehen dokumentiert. Mein großer Traum ist es eigentlich, Journalist zu sein. Doch ich sehe mich auch als Aktivist – aber dann, wenn ich die Kamera nicht in der Hand habe. Weil wenn ich sie in der Hand habe, muss ich gucken, dass ich so objektiv wie möglich arbeite. Ganz funktioniert das natürlich nicht, sonst müsste ich ja auch rechte Proteste oder die Schwurbler fotografieren. Aber da sage ich ganz klar: Ich knipse lieber die Gegendemonstranten und ermögliche ihnen, die Bilder auch für sich zu nutzen. Ich möchte aber nichts Gestelltes haben, nichts Inszeniertes. Es muss grundehrlich sein. Deswegen gibt es bei mir auch fast keine Bearbeitung der Bilder. Photoshop und Ähnliches nutze ich nicht.

Percy Walther (40) heißt auf Instagram @HerrWalther_ und hat die Fotografie vor zwei Jahrzehnten als Hobby für sich entdeckt. Seit fünf Jahren lichtet er vor allem Proteste ab.

Die Ausstellung „Haltung zeigen. Fotografien“ präsentiert Bilder von Walther und seinem Kollegen Protestfotografie.Frankfurt. Sie ist noch bis zum 27. März 2020 in der Galerie Freihafen zu sehen, Hafenstraße 1, 63450 Hanau. Geöffnet ist die Exposition dienstags 18 bis 20, freitags 17 bis 19 und sonntags 15 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei.


* Dieses Bild gehört nicht zur Ausstellung, unterstützt jedoch die Textaussage.

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